West-östlicher Brückenbau
Der US-Präsident lobt die „beispielhafte Partnerschaft“ mit der Türkei. Bei seinem Besuch in Ankara macht sich Barack Obama hat sich erneut mit Nachdruck für einen EU-Beitritt des Landes stark.
ANKARA - Die Türkei sei „ein wichtiger Verbündeter und ein bedeutender Teil Europas“, sagte der Präsident am Montag in einer Rede vor der Großen Nationalversammlung in Ankara. Obama: „Die USA unterstützen mit Nachdruck die Bemühungen Ihres Landes um eine EU-Mitgliedschaft“. Die gemeinsame Geschichte, die kulturelle Vielfalt und die Wirtschaftskraft der Türkei seien eine Bereicherung für Europa. „Ich sage das als ein enger Freund der Türkei und der EU“, unterstrich Obama. Der US-Präsident lobte die demokratischen Reformen der vergangenen Jahre, mahnte die Türkei aber auch zu weiteren Reformschritten.
Obama unterstrich die strategische Bedeutung des Landes an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien: „Ihre Größe liegt darin, dass hier Osten und Westen zusammenkommen“, sagte Obama und betonte: „Wir sind stärker, wenn wir gemeinsam handeln - dies ist die zentrale Botschaft meiner Reise“. Der US-Präsident sagte, sein Land suche einen „neuen Dialog“ mit der islamischen Welt. „Die USA sind nicht und werden niemals im Krieg mit dem Islam sein“, versicherte der Präsident. „Gemeinsame Interessen und gegenseitiger Respekt“ seien auch die Prinzipien der USA im Verhältnis zum Iran, sagte Obama. Dazu müsse Teheran aber auf Atomwaffen verzichten.
Noch am Montagabend wollte Obama nach Istanbul fliegen, um dort gemeinsam mit Premier Tayyip Erdogan am Treffen der Allianz der Zivilisationen teilzunehmen, einer 2005 von Erdogan und dem spanischen Premier José Luis Zapatero ins Leben gerufenen UN-Initiative mit dem Ziel, Brücken zwischen verschiedenen Kulturen zu schlagen, religiöse und gesellschaftliche Barrieren zu überwinden.
Die türkische Regierung verspricht sich von Obamas Besuch eine Aufwertung der Bedeutung ihres Landes als Regionalmacht an der Schwelle des Nahen Ostens. Nicht allen Türken ist allerdings der US-Präsident willkommen: in Ankara und Istanbul zogen Tausende Demonstranten mit Sprechchören wie „Wir wollen Dich nicht“ und „Obama, geh' zurück nach Hause“ durch die Straßen. Vor allem der Irak-Krieg hatte in den vergangenen Jahren das Bild der USA in der Türkei verdunkelt.
Obamas Tag in Ankara hatte mit einem Termin begonnen, um den kein ausländischer Staatsgast herumkommt, dem Gang zum Anitkabir, dem Grabmal des 1938 gestorbenen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. US-Präsident Barack Obama dürfte den obligaten Besuch am Atatürk-Mausoleum gern absolviert haben. Denn Atatürk war es, der vor 86 Jahren die Verankerung der neuen Republik im Westen zur Staatsdoktrin erhob.
Wenig später traf Obama im Präsidentenpalast von Cankaya hoch über dem Häusermeer von Ankara mit dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül zusammen. Die bilaterale Agenda der beiden Länder ist umfangreich: die USA erwarten von der Türkei logistische Unterstützung beim beginnenden Abzug ihrer Truppen und ihres schweres Kriegsgeräts aus dem Irak über die türkischen Mittelmeerhäfen Mersin und Iskenderun. Obama sprach auch ein stärkeres Engagement der Türkei in Afghanistan an. Ganz oben auf der türkischen Wunschliste steht mehr Unterstützung der USA beim Kampf gegen die PKK-Rebellen im Nordirak, die von dort immer wieder zu Anschlägen in die Türkei vorstoßen. Zu den Gesprächspartnern Obamas in Ankara gehörte auch Ahmet Türk, der Vorsitzende der Kurdenpartei DTP. Dabei ging es nach Darstellung der DTP vor allem um die Perspektiven einer friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts. Die Kurdenpartei hat dazu jüngst mehrfach die Idee einer Amnestie in die Diskussion gebracht, um die PKK-Rebellen zur Aufgabe ihres bewaffneten Kampfes zu bewegen - ein Vorschlag, dem US-Diplomaten einiges abgewinnen können.
Denn eine Entschärfung des Kurdenkonflikts würde der Türkei freiere Hand geben für jene Rolle, die das Land für die USA zu einem so wichtigen strategischen Partner macht: ihre Rolle als „Brücke zwischen den Welten“ gebe der Türkei so „außerordentlich große Bedeutung“ als Verbündetem und eröffne die Chance für eine „beispielhafte Partnerschaft“ beider Länder, sagte Obama nach seinem Gespräch mit Gül. Das hört man in Ankara gern.
Ein heikles Thema umschiffte man: die Bemühungen der armenischen Lobby in den USA, den Kongress zu einer Bewertung der Armenier-Verfolgungen im Ersten Weltkrieg als „Völkermord“ zu bewegen - Bemühungen, die man in Ankara deshalb mit besonderer Besorgnis sieht, weil sich Obama im Wahlkampf für eine Anerkennung des Genozids ausgesprochen hatte. Obama vermied in Ankara das heikle „G-Wort“, appellierte aber in seiner Rede vor dem Parlament an die Türkei, sich „ehrlich, konstruktiv und offen“ mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen. „Ungelöst kann die Vergangenheit zu einer Last werden“, mahnte Obama.
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